Caches und Kommerz
Kommerzielle Caches sind ja zur Zeit in der Blogosphäre ein Thema. Auf wundersame Weise wiederholt sich hier gerade etwas, was ich seit Anbeginn meiner “Internetkarriere” kenne. Schon im alten Z-Netz gab es eine große Fraktion von “online darf kein Kommerz sein” – gerade so, als sei das Internet ein heile-Welt-Paralleluniversum, in dem es alles umsonst kostenlos gibt und Dienstleistungen aus reiner Menschenfreundlichkeit erbracht werden. Nichts darf etwas kosten. Software muss kostenlos im Netz bereit gestellt werden und natürlich auch der kostenlose Support gleich dazu. Gleichzeitig werden tausende von Euro (damals noch in richtigem Geld) in Hardware und in Online-Zeit (heute gibts Flatrates – die sind aber auch nicht kostenlos) gesteckt.
Die Cacheszene bildet hier keine Ausnahme. Nach Auffassung vieler dürfen Caches nicht kommerziell sein, selbst nicht, wenn sie von oder für Groundspeak gemacht sind. Weder darf einem vom Deckel der Dose eine Reklame entgegenprangen, noch darf man auf dem Weg zu einem Cache durch Werbung behelligt werden.
Welch Verlogenheit und Selbstbetrug.
Werbegeschenke werden aus Caches gerne mitgenommen, ebenso stellt man sich stundenlang in lange Schlangen auf Events, weil es einen Travelbug kostenlos geben könnte. Reklame-T-Shirts und Mützen werden übergeworfen, das 350€-GPSr des Marktführers hängt am Lenyard mit dem Aufdruck eines Taschenlampenherstellers. Natürlich wird erwartet, dass der Schenkende keine kommerziellen Absichten damit verfolgt. Er verschenkt das Zeug, weil er zu viel davon hat und weil er noch Geld zum Fenster rausschmeißen muss, weil er sonst zu viel Steuern zahlt.
Caches neben Lidl, Aldi, Rewe, Plus und Penny-Märkten sind natürlich völlig tabu. Allerdings deuten die Kommentare in verschiedenen Blogs darauf hin, dass sich die Ablehnung in diesen Fällen eher gegen “lieblose Mikros” richtet und nicht so sehr in die Richtung der “Kommerzcaches” geht. Ein völlig anderes Thema.
Mal ernsthaft: Gibts in unserer Gesellschaft seit Einführung des Tauschhandels wirklich irgendwas kostenlos?
Aus welchem Grund sollte irgendjemand irgendetwas kostenlos tun?
Was ist an Werbecaches denn wirklich schlimm? Der Werbende erwartet, dass er oder seine Produkte bekannter werden. Ob er damit Erfolg hat, hängt doch von jedem Cacher selbst ab.
Unser Wirtschaftssystem funktioniert nun mal auch durch Konkurrenz – sich von dieser abzuheben und sich bekannter zu machen, dazu dient auch Reklame. Padeluun hat das schon richtig erkannt und mal sinngemäß gesagt “im Internet darf nichts kostenlos sein, sonst verliert es seinen Wert” – siehe auch seine Netzthesen.
Das Internet ist eben kein Paralleluniversum – es gibt keine virtuelle Welt – alles ist real und exisitiert hier und heute zwischen uns. Das Geocaching ist eben kein Paralleluniversum – es gibt keine virtuelle Welt – alles ist real und exisitiert hier und heute zwischen uns.
Das Geocaching und das Internet sind Medien, derer wir uns zur Kommunikation und Gestaltung (Verschwendung?) unserer Freizeit bedienen. Also bedienen sich Firmen auch des Internets und des Geocachings, um mit uns zu kommunizieren (Werbung zu betreiben).
Selbst (oder sagen wir besser: gerade) Groundspeak ist die Kommerzcachebude schlechthin. Keine Kommerzcachelistings dulden wollen, aber selbst jede Gelegenheit nutzen, um Werbung für die eigene Sache unters Volk zu streuen. Wo zieht der heile-Welt-Paralleluniversums(-Premiummember-)cacher jetzt die Grenze?
Ich habe auch noch niemanden gesehen, der den Garminschriftzug auf seinem GPSr zuklebt oder die Tupperwarebeschriftung auf den Dosen abkratzt (wissen Tupperware und Emsa eigentlich, welchen Werbewert das Geocaching hat?). Die letzte Konsequenz zu ziehen und Groundspeak den Rücken zuzudrehen und nur noch “freie” Caches in selbstgeklöppelten Cachebehältern mit einem selbstgelöteten GPSr zu suchen und zu legen, das machen nur wenige. Welch Verlogenheit und Selbstbetrug.
5 Kommentare
kukus · 25. Juni 2009 um 10:29
Es ist natürlich schön zu lesen, dass der Autor bisher Kommerzcaches nur mit ein paar bunten Lanyards und Caches auf Supermarktparkplätzen assoziiert.
Es gibt aber auch die Fälle, in denen professionelle Firmen jede Menge Steuergelder dafür bekommen, daß sie Multicaches legen, die zu über 70% mit bestehenden Caches übereinstimmen. Auch Aldi und co sind ja weder Auftraggeber noch Nutznießer dieser Caches, aber wenn ein Getränkebudenbesitzer zur Umsatzsteigerung eine Dose in seinen dreckigen Hinterhof wirft, ist das schon verdammenswert.
hmichel777 · 25. Juni 2009 um 10:37
da versteh ich wohl was nicht? Welche Firmen erhalten Steuergelder um Caches zu legen?
Was ist an der Hinterhofdose des Getränkebudenbesitzers schlimm? Dass der Hinterhof dreckig ist? Da gibts eine Menge nicht kommerzieller Caches bei denen das genauso ist – das ist ein anderes Thema und hat mit der kommerziellen Absicht wohl kaum was zu tun.
JeeperMTJ · 25. Juni 2009 um 10:40
Wahre Worte, danke Das Du es mal deutlich ansprichst. Ich kann es langsam auch nicht mehr hören. Vor allem das Gejammere gegen das Mammut Basecamp. Eigene Plattforum und ordentlich umgesetzt, und auch ein paar Spitzencaches. Aber einige sehen hier das Ende vom Geocaching. Oder schimpfen über Handwerkliche Fehler des ein oder anderen Mammut-Cachers. Da sollten sie mal schauen wieviel Müll auf geocaching.com rumliegt.
kukus · 25. Juni 2009 um 11:48
Von Steuergeldern wurden beispielsweise vier Multis von den Firmen Argus Concept / GIS-Dienstleistungen für die Region Saargau gelegt.
Interessante Angebote gibt’s auch:
http://www.gisdienstleistungen.de/index.php/Leistungen/Geocaching.html
hmichel777 · 25. Juni 2009 um 11:56
na und? Wo ist da der Unterschied, ob die Tourismus-Organisation Flyer drucken oder Geocaches legen lässt? Beides Steuergelder, welche Touristen in die Region bringen sollen, um Geld wieder da zu lassen. Dass Caches früher oder später zu kommerziellen Zwecken instrumentalisiert würden, muss doch jedem klar sein. Sobald eine Interessengruppe groß genug wird, dass sich an ihr Geld verdienen lässt, wird es findige Unternehmer geben, die das zu ihren Gunsten ausnutzen werden.
Was machst Du beruftlich? Wovon lebst Du? Wenn Du nicht gerade zufällig Pfarrer bist, wird auch Dein Brötchengeber irgendein Interesse am Geld verdienen haben – vielleicht sind Geocacher nicht seine Zielgruppe – aber irgendeine Zielgruppe wird auch er haben und die wird er bewerben wollen. Das lässt sich nicht vermeiden – und letztlich: dadurch funktioniert unser System. Das andere System, welches so nicht funktionierte, haben wir vor rd. 20 Jahren abgeschafft (weils nicht funktioniert hat – lustiges Wortspiel).